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Politik und Märkte für Erneuerbare Energien

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Agenda für Deutsch-Japanische Kooperationen

22.-23. Januar 2004
Leucorea Tagungszentrum Wittenberg

Japan kein "Musterland" beim Ausbau der Erneuerbaren Energien

Deutsch-japanische Fachtagung in Wittenberg: Gastdelegation warnt vor leichtfertigem Optimismus – Angesichts der fehlenden Investitionssicherheit bauen Projektierer ihre Windräder lieber im Ausland

Wittenberg/Hamm - "Kommen Sie bitte ein ganzes Jahr nach Japan und setzen Sie Ihre Arbeit dort fort". Mit dieser Einladung wurde der Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell, Initiator des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, anlässlich einer deutsch-japanischen Fachtagung in Wittenberg überrascht. Das Treffen, das Kooperationen auf dem Feld der "Regenerativen" anschieben sollte und Ende Januar in der Lutherstadt stattfand, machte vor allem eines deutlich: Die Situation und die Potenziale Japans werden hierzulande offenbar überschätzt.
"Was in unserem Land fehlt ist eine breite politische Unterstützung für Wind-, Sonnen- und Bioenergie", begründete Hiroyuki Kawaai, Vorsitzender des Umweltausschusses der japanischen Anwaltsvereinigung, seine spontane Bitte an Fell. Der langjährige Anti-Atomkraft-Aktivist war mit acht weiteren Vertretern von Politik, Interessenverbänden und Wirtschaft nach Wittenberg gereist, um sich dort mit deutschen Fachleuten aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien (EE) auszutauschen.Eingeladen zu der mit über 40 Teilnehmern gut besuchten Veranstaltung hatten die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie das Öko-Zentrum NRW.
In seiner Eröffnungsrede erläuterte Fell, energiepolitischer Sprecher der Bündnisgrünen im Bundestag, die Inhalte und Bedeutung des EE-Gesetzes. Die anschließende Diskussion zeigte, dass die seit 2000 geltenden Regelungen international nicht nur Bewunderung hervorrufen, sondern auch Widerstand: "Die Gegner einer Adaption des Gesetzes habensich auch bei uns bereits formiert", so ein japanischer Teilnehmer.
Die Berichterstattung insbesondere über die Ziele bei der Solarenergie zeichne ein zu euphorisches Bild, meinten die Gäste aus Fernost übereinstimmend. Ausdrücklich warnte beispielsweise Tetsunari Iida, Direktor des renom-mierten Instituts für nachhaltige Energiepolitik, vor einem leichtfertigen Umgang mit den amtlichen Zahlen. Tatsächlich habe das viel beachtete Gesetz, das seit April 2003 die Einspeisemöglichkeitenregenerativ erzeugter Energie in Japan regelt, immense Schwächen. Das darin formulierte Ziel, den Anteil der EE bis 2010 auf 1,35 Prozent aufzustocken, bezeichnete er als völlig unzureichend. Für die Windkraft sei eine installierte Leistung von gerade einmal 3.000 MW vorgesehen – eine angesichts des in Deutschland bereits erreichten Standes dürftige Vorgabe.
Bekräftigt wurde Iidas Kritik von Toshio Hori, Vorsitzender des Windenergie-Verbandes und Vorstand eines der größtenWindenergie-Projektierers der Welt. Dass sein Unternehmen, die Eurus Energy Holding GmbH, die Mehrzahl ihrer Anlagen im Ausland errichte, spreche für sich: "In Japan sind die Investitionen nicht ausreichend abgesichert, weil es keine langfristig geregelten Einspeisekonditionen gegenüber den Energieversorgern als Quasi-Monopolisten gibt".
Schwer hatte es angesichts dieser eher gedämpft optimistischen Töne Harry Lehmann mit seiner Studie und Vision eines "Energy Rich Japan". Der Vortrag desWissenschaftlers und "EE-Urgesteins" skizzierte zwar eindrucksvoll eine mögliche Komplettversorgung Japans durch alternative Energien, konnte die Skepsis der asiatischen Gäste aber nicht ausräumen: "Bis zu solchen Verhältnissen ist es noch ein sehr weiter Weg".
Dass dieser zunächst mit kleinen Schritten bewältigt werden muss, deuteten die Vorträge der anwesenden japanischen Regionalpolitiker an. Seiji Ohsaka, dem als Bürgermeister der nordjapanischen Stadt Niseko der Ruf eines engagiertenReformers vorauseilt, berichtete von zahlreichen regionalen Initiativen. Über Bürgerbeteiligung eine größere Akzeptanz für Windenergie und Biomasse zu schaffen, hält er für das Nahziel der kommenden Jahre. Viele der Projekte, die der Geschäftsführer des Bundesarbeitskreises Umwelt und Management (B.A.U.M.), Ludwig Karg, in seinem Referat vorstellte, erscheinen den Japanern als übertragbar.

Eine Möglichkeit, konkrete "local-to-local"-Projekte zu vereinbaren, gibt es schon im kommenden Juni: Anlässlich der Weltkonferenz "renewables 2004" in Bonn wird ein weiteres deutsch-japanisches Treffen stattfinden. Weiterführende Informationen über die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt finden exportorientierte Unternehmen, kooperationswillige Projekte und Kommunen sowie andere Japan-Interessenten bis dahin im Internet (www.exportinitiative.de) sowie in dem Tagungsband zu dem Wittenberger Treffen. Zur "renewables 2004" erwartet wird auch derBündnisgrüne Fell: Er hat die Einladung nach Japan angenommen – allerdings nicht ohne den Hinweis, die vorgeschlagene Aufenthaltsdauer vermutlich verkürzen zu müssen.

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